Zuckerzusatz hat in Rum und Cachaça nichts verloren, oder?


Ein beliebtes Spiel bei Cognac-, Rum- und Cachaça-Produzenten ist die Zugabe von Zucker. Warum eigentlich?

Zucker weckt im Menschen archaische Reflexe. Selbst wenn wir an Übergewicht leiden, lassen wir uns vom Zucker verführen. Je mehr Zucker wir zu uns nehmen können, desto besser. Aus diesem Grund kommt die Industrie kaum daran vorbei, Zucker in Limonaden zu verwenden. Tonic war früher im wahrsten Sinne eine Bitterlimonade - heute enthält sie Zucker (z.B.: Thomas Henry und Schweppes, Indian Tonic: 9 gr). 
Brasilien gewann erst durch das Zuckerrohr an Bedeutung für Portugal. Bevor das Zuckerrohr Reichtum brachte, war das Holz "Pau Brasil", das einzige, was den Kolonisten etwas Geld versprach. In Zeiten, in denen die begehrtesten Frauen gegen Zucker aufgewogen wurden, gab es die süßen Träume nur für die Boheme. Heute ist Zucker billig und überall verfügbar - und die Caipirinha wird nicht mehr mit Honig zubereitet.

Unser instinktives Geschmacksmuster lässt gezuckerte Spirituosen milder erscheinen und es retuschiert die Ecken und Kanten. Zucker ist ein schönes Dopingmittel - auch für das Verkaufspotential. Spirituosen können weich gespült werden und tauschen Charakter gegen Massentauglichkeit.

Coca-Cola zum Beispiel hat knapp über 100 gr/ Liter. Hier verschwimmt die Grenze schon zum Likör, der mindestens 100gr Zucker beinhalten muss - und natürlich Alkohol.

Als es vor rund 50 Jahren möglich war, Destillate in großen Mengen produzieren zu können, sank der Preis enorm. Kleine Hersteller mit aufwändigen Produktionsmethoden waren zwangsweise die Verlierer. Unzählige Destillerien wurden aufgegeben oder fusionierten, um die Kosten senken zu können. Statt der klassischen Kupferbrennblase kam jetzt die effizientere Edelstahlkolonne zum Einsatz und der Gärprozess, der die Basis für die Aromenerschließung darstellt, wurde mit Turbohefen auf 6 Stunden reduziert. Kurzum die Qualität sank - mehr noch als der Preis.

Die schlechtere Qualität wurde kaschiert: durch die Zugabe von Zucker zum fertigen Destillat. In Brasilien darf man bis zu 6 gr Zucker/ Liter hinzufügen, ohne dass es deklariert werden muss. Wer mehr verwendet, muss das Wörtchen "adoçada" aufs Etikett schreiben. In Deutschland gilt diese Vorschrift nicht - weshalb die Angabe auf dem Weg hierher schon mal verloren geht. Ein Cachaça darf aber trotzdem nur bis maximal 3% Zucker beinhalten - also 30 Gramm/ Liter.

Wie sieht es ab er beim Rum aus? Es gibt einige Sorten, die ohne Zucker auskommen. Es gibt aber laut Refined Vices auch Rumsorten mit ordentlich Zucker:
  • El Dorado 12 Jahre: 41 gr
  • Diplomatico/ Botucal Reserva Exclusiva: 41 gr 
  • Rum Plantation 20th Anniversary Extra Old: 29 gr
  • Zacapa XO: 26 gr 
  • Rum Plantation Grande Reserve Barbados: 22 gr
  • Angostura 1919: 14 gr
  • weitere Sorten:
Bei Cognac dürfen bis zu 3% Zucker zugesetzt werden - also pro Liter 30 gr. Bei derartig viel Zuckereinsatz - ohne Deklarierung - stellt sich die Frage, ob dies noch im Sinne des Verbrauchers sein kann. 

Bei Herstellern hochwertiger brasilianischer Destilate ist der Zusatz von Zucker verpönt. Er wäre das Eingeständnis, dass die Qualität suboptimal ist. In Deutschland gibt es einige brasilianische Destillate mit dem Zusatz "adoçada": Berro d'Agua, Velho Barreiro, Cachaça 51 sind nur einige Sorten.

Ein Destillat, dass in Berlin beim 4. German Rum Festival ohne süßenden Zusatz überzeugen konnte, ist der SALIBOA, der  in Berlin als bester Cachaça ausgezeichnet wurde. Er reift 5 Jahre in einem Holz, dass sich Ipê amarelo nennt. Mit 45,5% Alc ist er der stärkste Cachaça in Deutschland.

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